VW Beetle 2.0

Testbericht.
VW Beetle 2.0
Die automobile Unvernunft – viel Spaß mit der Blumenvase
Von Petra Grünendahl

Ihn mit Vernunftkriterien messen zu wollen, kann nur dazu führen, daß man ihn nicht mag. Er ist unvernünftig und unpraktisch in jeder Hinsicht: zu klein, zu wenig übersichtlich und überhaupt! Aber wer ein vernünftiges Auto will, wird in der Volkswagen-Modellpalette nicht nur mit dem Golf fündig.

Was mit Vernunft gemessen nicht begeistern kann, muß mit anderen Maßstäben gemessen werden. Also wenden wir uns den Gefühl zu: Schnuckelig sieht es aus, das kleine Krabbeltierchen auf vier Rädern. Nun ja, so klein ist er eigentlich nicht, mit 4,08 m Länge, 1,73 m Breite und 1,50 Höhe. Aber schön anzusehen und in seinem freundlichen Cybergreen metallic – gibt es die Farbe eigentlich auch in Deutsch? – verbreitet er Spaß und gute Laune – und das nicht nur bei strahlendem Sonnenschein, der uns in Deutschland ohnehin viel zu selten vergönnt ist.

Ein bißchen erinnert der Beetle an den alten Käfer, aber das sind nur (von den Automobildesignern bewußt gewählte) Anlehnungen an den als Basismotorisierung für die Massen konzipierten Käfer. Der Beetle zielt in eine andere Richtung: ein bißchen Nostalgie, ein bißchen Lifestyle von heute – ein Spaßauto halt, daß in keine praktische oder gar vernünftige Ecke paßt.

Perfekt gestylt ist das Cockpit, das in ehemaligen Käfer-Fahrern durchaus nostalgische Gefühle weckt: vom Haltegriff über dem Handschuhfach und den Halteschlaufen an der B-Säule über die Staufächer in den Türen bis hin zur Blumenvase. Nicht sonderlich nützlich in den Tagen von „Easy Entry“-Funktionen, Sicherheitsgurten und Airbags, aber angestaubt mit Erinnerungswerten. Großflächig und rundlich gestaltet stellt das Beelte-Cockpit aber einen krassen Gegensatz zum eher kleinen, engen Käfer-Armaturenbrett dar.

Das Armaturenbrett wirkt ein wenig nüchtern, auch wenn es perfekt durchdesignt ist. Leben bringt da die kleine Blumenvase, die ich im Test stets gefüllt hatte: mal mit echten, mal mit Seidenblumen. Je kleiner der Strauß in der Vase, desto weniger hat der Fahrer allerdings davon. Links von der Mittelkonsole hinter dem Lenkrad versteckt erfreut sich hauptsächlich der Beifahrer an der blühenden Pracht. In der Design-Studie „Concept 1“ war die Blumenvase noch auf der Beifahrer-Seite angebracht, wo auch der Fahrer den Blumenstrauß gut im Blick hatte. Mal ganz abgesehen davon, daß sich der Fahrer bei einem üppigeren Strauß etwas vorsehen muß beim Lenken. Und etwas reichhaltiger darf der Strauß ruhig sein, denn er bringt Leben ins Innere des Beetle. Sehr unpraktisch ist allerdings die Tatsache, daß die Blumenvase fest installiert ist: Hin und wieder sollte sie ja doch mal gründlich gespült werden – vor allem, wenn man frische Blumen bevorzugt.

Der Einstieg in den Fond ist einfach dank der „Easy Entry“-Funktion der vorderen Sitze. Allerdings finden auf den Rücksitzen bestenfalls Kinder ausreichend Platz. Weniger wegen der Kniefreiheit – die ist ausreichend bemessen – als vielmehr wegen der Kopffreiheit sollten hinten nur bis zu 1,60 m große Personen Platz nehmen. Die Rücksitzbank ist nur für zwei Passagiere konzipiert: Zumindest in der Breite haben die „Hinterbänkler“ wenigstens reichlich Platz.

Der Kofferraum nimmt über die viel zu hohe Ladekante von 73 cm nur 209 Liter Gepäck auf. Auch glänzt der Laderaum nicht gerade mit guter Zugänglichkeit, aber das muß man bei einem solchen Designer-Auto wohl in Kauf nehmen. Bei umgelegter Rückbank sind immerhin bis zu 527 Liter Zuladung möglich.

Technische Perfektion fast ohne Fehl und Tadel – Großserienproduktion auf der technischen Plattform des Golf machen es möglich – ist in dem „Designer-Golf“ im Gegensatz zum alten Käfer selbstverständlich. Motoren, die neben gutem Durchzugsvermögen mit relativ niedrigem Verbrauch – immerhin hat der Beetle einen Luftwiderstandbeiwert (cw-Wert) von 0,38 in einer Klasse, wo 0,29 bis 0.30 die Norm sind – auch mit niedrigen Schadstoffemissionen glänzen. Der bekannte 1,9 Liter-Turbodiesel mit 90 PS erfüllt die Abgasnorm D3, der 2 Liter-Ottomotor mit 115 PS aus unserem Testwagen sogar die Abgasnorm D4.

Nur in seiner Lautstärke bei höheren Drehzahlen erinnert unser Testwagen an den alten Käfer, nicht aber mit dem Verbrauch: Knappe 9,8 Liter Superbenzin auf 100 km waren es im Test mit meinem doch eher sportlichen Fahrstil. Bei zurückhaltender Fahrweise sollen laut Hersteller 8,7 Liter im gemischten Verbrauch möglich sein. Wenn man leichte Leistungseinbußen in Kauf nimmt, fährt der 2.0-Liter-Beetle auch mit Normalbenzin.

Mit 10.9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und 185 km/h ist der Benziner-Beetle kein Sprinter, aber dafür ist er ja auch nicht gebaut. Dennoch kann man mit diesen Fahrleistungen komfortabel auch größere Strecken zurücklegen und auf Autobahnen bequem und zügig überholen. Ansonsten macht das rundliche Krabbeltierchen vor allem bei ruhigerem Fahren durch Städte und Dörfer was her, denn es zieht dank seiner freundlichen Formen und Farben die Blicke auf sich.

Nichts desto trotz ist Fahren das, was dieser knubbelige Rundling am besten kann. Die Fünfgang-Schaltung ist klasse: leichtgängig und präzise flutscht der Schaltknüppel durch die Gänge. Fast schon schade, daß man die Schaltung so wenig braucht, denn dank der kurzen Getriebeübersetzung läßt sich der Beetle herrlich schaltfaul fahren.

Spaß an diesem Auto machen aber nicht nur die Motoren, sondern auch das Fahrwerk. Nicht aus der Ruhe zu bringen ist der Beetle. Unbeirrbar zieht er auch bei flotterem Tempo seine Runden, schiebt in zu schnellen Kurven vielleicht ein wenig über die Vorderräder, bleibt aber jederzeit beherrschbar und läßt sich nicht zu Lastwechselreaktionen hinreißen, die den Fahrer überfordern würden. Die gute, wenn auch ein wenig harte Straßenlage verdankt unser Beetle der straffen Federung und seinen breiten 205/55er Reifen auf 16 Zoll-Felgen, was aber meinem sportlichen Fahrstil mit seiner guten Bodenhaftung sehr entgegenkommt.

Auch an der Standfestigkeit der Bremsen (Scheibenbremsen rundum, vorne innenbelüftet) gibt es nichts auszusetzen. Kräftig und gut dosierbar bringen sie den Beetle schnell zum Stand. Die Sicherheitsfeatures umfassen ein Anti-Blockiersystem und das elektronische Stabilitätsprogramm serienmäßig, allerdings trotzt der Beetle auch ohne ESP problemlos jedem Elch. Front- und Seiten-Airbags sind ebenso Serienausstattung wie Dreipunkt-Automatik-Sicherheitsgurte (vorne höhenverstellbar und mit Gurtstraffer), vier Kopfstützen und die elektronische Wegfahrsperre.

Dieser Rundling ist ein Ausbund an Fahrspaß, was sowohl die Durchzugskraft der Motoren wie auch die fast perfekte Fahrwerksabstimmung angeht. Technische Perfektion und ein ganz klein wenig Vernunft sind hier gepaart mit viel Gefühl – von Käfer-Nostalgie mit Blumenvase über die lustig dreinblickenden Scheinwerfer-Augen bis hin zu einem Fahrwerk und Motoren, die dem passionierten Autofahrer einfach Spaß machen. Allerdings verlangt der Beetle dem Käufer eine hohe Toleranz für die praktischen Unzulänglichkeiten ab – und einen für ein Spaßauto sehr hohen Preis (ab 34.950 Mark). Die Aufpreisliste ist lang und beginnt bei der Klimaanlage für 2.050 Mark und der Metallic-Lackierung für 680 Mark. Mit allen Extras lag unser Testwagen schon über 40.000 Mark. Da tröstet auch die günstige Vollkasko-Versicherungseinstufung (Typklasse 14, die Reparturfreundlichkeit läßt grüßen) nichts, denn die Haftpflicht liegt mit Typklasse 32 weit über den Klassendurchschnitt (gilt jeweils für den Benziner, der Diesel ist noch etwas teurer).

© April 1999 Petra Grünendahl, Fotos: grü / IN*TEAM

Über Petra Grünendahl

Erfahrener Journalist mit einem Gespür für Themen, Geschichten und Bilder, aber auch Inhalte und klare Worte. Mit fachübergreifender Denke, Redaktionsverantwortung und einem Blick für Zielgruppen. Generalist mit Special Interests (Fachjournalist), Kommunikationsexperte, Öffentlichkeitsarbeiter und Netzwerker.
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